Thursday, September 13, 2007

Fazit

Was kam in Sibiu schlussendlich raus? Hat es sich gelohnt, für 10 Tage nach Rumänien zu fahren? Oder hätte man dieses Schaulaufen der Ökumene erst gar nicht stattfinden lassen sollen...?

1. Persönliches

Toll war auf jeden Fall, soviele interessante Menschen treffen zu können. Der Theologieprofessor aus Kalabrien, der Witze über die ’Ndrangheta macht, der Pater einer katholischen Ordensgemeinschaft, der viel offener ist, als man es sich von einem Orden vorstellt, oder orthodoxe Studierende, die der Ökumene total aufgeschlossen gegenüber stehen. Gerade die Diskussionen mit Menschen, die ganz andere Hintergründe haben als ich selbst, haben mich bereichert. So eine Diskussion über die Frage, wie wir als Christinnen und Christen von unserem Glauben sprechen und wie wir „Zeugnis“ ablegen von Christus (oder wie er es durch uns tut).

Ein anderer junger Delegierter hat für sich das Fazit gezogen: „Ich habe gelernt, wie man sich unter undemokratischen Verhältnissen trotzdem einbringen kann.“ Mir geht es ganz ähnlich. Obwohl man formal kaum mitreden kann, gibt es doch viele dieser Prozesse, die außerhalb der offiziellen Bühne ablaufen. Hier kommt es vor allem darauf an, so viele Infos wie möglich zu haben und zu wissen, wen man in welcher Form ansprechen sollte. Außerdem ist es wichtig, dass man nicht alleine ist, sondern sich mit anderen regelmäßig abspricht. Allerdings darf man auch nicht zuviel planen und absprechen, dann geht die Zeit und die Spontaneität verloren.

Gelernt habe ich auch, dass man nicht immer taktieren sollte. Eigentlich wollten wir Donnerstag vormittag einen Beitrag zum Thema Religionsfreiheit vor dem Plenum machen, er war schon fertig vorbereitet. Allerdings haben wir uns verkalkuliert, weil wir auf Nummer sicher gehen wollen und etwas die Spielregeln ändern wollten, damit dieser Beitrag in jedem Fall drankommt – das ging natürlich prompt schief. Das war echt schade; darbereitet, das kam nicht durch, weil wir zuviel taktiert hatten. Schade, damit hätten wir ein Thema angesprochen, das hier ziemlich tabuisiert wurde.

2. Die Beteiligung der jungen Delegierten

Wir jungen Leute (jung = junge Erwachsene unter 30) haben auf der Versammlung eine sehr gutes Bild abgegeben. Erstmal durch unsere gelben Mützen, durch die einfach erkennbar wurde, dass es uns gibt. Einige Leute wussten auch gleich, was Jeremia 1,7 bedeutet, andere schauten selbst nach.
Aber wir postulierten nicht nur, dass wir etwas zu sagen hätten, sondern wir sagten auch etwas:
- die Präsentation der Botschaft war genial – besser hätte es nicht laufen können. In dem Moment, wo die Stimmung ziemlich gedrückt war, präsentierten die jungen Leute mit dem St. Maurice Statement eine knappe, konkrete und nach vorne schauende Botschaft. Weil der anschließende erste Vorschlag der Abschlussbotschaft überhaupt nicht gut war, steigerte das noch die Wirkung.
- das alternative Forum, mit dem wir zum Ausdruck brachten, dass wir nicht zufrieden sind mit der zu geringen Beteiligungsmöglichkeit am Programm. Wir zeigten, dass wir spontan (am Abend zuvor) auch etwas auf die Beine stellen können.
- der Blog. Vielleicht war er an manchen Stellen zu kritisch, OK. Aber hier konnten wir unsere Kritik äußern, die woanders nicht möglich war. Und wir zeigten trotzdem, dass wir von der Ökumene an sich begeistert sind und das Voranschreiten auf dem gemeinsamen Weg uns ein großes Anliegen ist. Jetzt müssten wir nur noch wissen, wieviel Leute ihn gelesen haben. Viel Werbung haben wir dafür gemacht...

Ein paar Dinge liefen auch nicht so gut. So hatte ich den Eindruck, dass nicht alle jungen Delegierten an den gemeinsamen Aktionen teilnahmen, sondern eher passiv blieben. Auch waren die Beziehungen zwischen uns und den Stewards nicht so selbstverständlich, wie es sein könnte. Leider gab es nie ein gemeinsames Treffen, bei dem wir uns klar machen konnten, dass viele von uns ganz ähnliche Sachen wollen.

Was sollte man beim nächsten Mal also machen?
a) Unbedingt wieder einen Blog, vielleicht noch mit mehr Beteiligung und mehr Werbung im Vorfeld
b) ein Vortreffen, bei dem wir noch mehr Strategie und Abstimmungsfragen diskutieren (z.B.: Wer plant Aktionen? Wer schreibt Pressemitteilungen? Wer bereitet was für’s Plenum vor?)
c) Ein gemeinsames Treffen mit den Stewards – damit wir uns nicht als zwei Gruppen sehen, sondern als eine Gruppe junger Leute, die halt verschiedene Aufgaben hat.
d) Wieder einen Vortrupp hinschicken, die Dinge vorbereiten können.

3. Bewertung der Versammlung

Im Rückblick fällt mir etwas auf, dass mir im Vorhinein nicht so klar war. In Sibiu waren drei ganz unterschiedliche Gruppen von Personen, die alle denselben Status als Delegierte hatten: 1. kirchenpolitisch Aktive, 2. Menschen mit dem Ziel, ökumenische Fragen zu diskutieren, und 3. solche, denen vor allem die Begegnung mit Menschen anderer Konfessionen wichtig war.

Alle drei Gruppen mit einem Setting wie in Sibiu zu befriedigen war nicht möglich, weil alles drei miteinander vermischt wurde. Die Kirchenpolitiker mussten zuviel Reden anhören und widmeten sich kaum den brennenden theologischen und kirchenpolitischen Themen. Die „Ökumeniker“ bekamen viel Input, konnten selbst aber nur zuwenig diskutieren. Die Hearings waren viel zu sehr eingequetscht zwischen den großen Veranstaltungsblöcken. Die Begegnungsmenschen waren ebenfalls zu sehr zu Passivität verurteilt.

Eine Trennung der Gruppen – so wie in Basel und Graz praktiziert – wäre deutlich sinnvoller gewesen: Die Kirchenpolitiker hätten sich als Delegierte auf wesentliche politische Fragen konzentriert. Die Ökumeniker hätten als aktive Basis eine Menge von Veranstaltungen durchgeführt, so die Diskussion vorangetrieben und den Delegierten wertvolle Impulse geliefert. Die Begegnungsinteressierten wären beim Rahmenprogramm auf ihre Kosten gekommen.
Alle hätten auf ihre Art und Weise die Ökumene vorangetrieben, und sich gegenseitig befruchtet. So wie in Sibiu wurde jedoch keiner zufriedengestellt. Ich glaube auch, dass die Zahl der 2. und 3. Gruppe deutlich höher hätte ausfallen können. Beim Kirchentag klappt es schließlich auch, dass viele Menschen in Schulen übernachten, und ich glaube nicht, dass die Zahl der Privatunterkünfte in Sibiu ausgereizt war.

Insgesamt gab es so große Defizite:

- Im Plenum kam es meist nur zu Monologen, nicht jedoch zum Dialog. Wichtige Fragen wurden als wichtig angesprochen, aber nicht praktisch nicht diskutiert.

- Es gab Tabuthemen: die Frage der Menschenrechte, die Religionsfreiheit bzw. ihre Einschränkung innerhalb Europas wie z.B. in Belarus oder das gemeinsame Abendmahl. Auch die Genderfrage kam praktisch nicht vor. Ich hatte den Eindruck, dass niemand die Ruhe stören wollte. Dies wäre ein Risiko gewesen: Wenn man es anspricht, dann kommt es zum Konflikt, und dann weiß man nicht mehr, ob es vielleicht nicht wirklich mit Rom oder mit Moskau kracht. Ich glaube jedoch, wenn man die Ökumene voranbringen will, dann muss man auch das Risiko wagen. Metropolit Kirill von Smolensk und Kaliningrad betont schließlich auch, dass man nicht zu sehr um den heißen Brei herumreden und eine Art Kuschelökumene betreiben dürfe [Link folgt noch]. Angesichts dessen kann ich mir nicht vorstellen, dass „die Russen“ aus dem Ökumeneprozess an sich aussteigen.

- Besonders zu kurz kam mit das Thema der Einheit der Kirche(n). Symptomatisch war der Sonntag morgen. Zuerst konfessionell hübsch getrennte Gottesdienste (vom orthodoxen wurde mit sogar folgende Aussage in der Predigt berichtet: „Der Ökumene die Ökumene – aber von jetzt an sind wir wieder orthodox!“), danach eine lasche Abschlussfeier ohne auch nur ein wirkliches Symbol, dass wir zusammengehören. Das gemeinsame Vater Unser war das einzige, was hier alle auf dem Platz verband.

- Die Vorhersagen, dass es an Partizipation mangele, haben sich mehr oder weniger bewahrheitet. So gab es keine Abstimmung über die Schlussbotschaft. Man traute sich wohl nicht, die 1.542 Delegierten abstimmen zu lassen. Für mich ein eindeutiger Legitimationsverlust der Abschlussbotschaft.

Fazit: Beim nächsten Mal sollte man es wieder besser machen, ähnlich zu Basel und Graz. Dann werden alle Gruppen befriedigt, und vielleicht traut man sich dann wieder, die Delegierten abstimmen zu lassen.
Wem auf jeden Fall zuzustimmen ist, ist Bischöfin Margot Kässmann. Wer Ökumene will, der muss sich auf solche Versammlungen einlassen. Selbst wenn am Ende nicht so viel steht, dann haben sich doch viele Kirchen und Menschen dadurch verstärkt mit der Ökumene und den Zielen, die dahinterstecken, auseinandergesetzt. Auf lange Sicht kann das der Ökumene nur gut tun.

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